Die MicroHip-Technik – eine minimal-invasive und entsprechend schonende Operationsmethode zum Ersatz des Hüftgelenkes – wurde von mir, Dr. Markus C. Michel, gemeinsam mit Dr. Pierre Witschger am Orthopädischen Zentrum Münsingen OZM entwickelt.
Häufig werde ich gefragt, wie solch eine Entwicklung überhaupt möglich ist bzw. weshalb diese Methode nicht schon früher angewandt wurde.
Die Geschichte beginnt mit einer Anekdote: Mein erster Lehrer war der weltbekannte Dr. Maurice E. Müller, welcher ganz wesentlich an der Entwicklung der modernen Hüftchirurgie beteiligt war. Er stellte uns eines Tages seinen neuen Zugang zum Ersatz des Hüftgelenkes vor, den transglutealen Zugang, wobei wesentlich weniger Sehnen abgelöst werden mussten als mit allen andern zu damals bekannten Zugängen. „Super“, war mein Kommentar als blutjunger Assistent, „doch noch viel schöner wäre es doch, wenn gar keine Muskeln oder Sehnen abgelöst werden müssten, führt doch genau dies immer zu bleibenden Schäden.
Ich erntete ein mildes Lächeln des grossen Meisters: „Schön sicher, doch leider unmöglich!“
Dieser Gedanke liess mich nie mehr los. Als ich meine Basisausbildung zum Spezialarzt für Orthopädie beendet hatte und zunehmend mehr Hüften operierte, wurde mir bald bewusst, dass die meisten Probleme nicht in den künstlichen Gelenken zu orten waren, sondern viel mehr bei den Sehnen und Muskeln. Das Feuer war entfacht!
Verfolgt man die Geschichte der Hüftchirurgie, so wird bald offensichtlich, dass das künstliche Gelenk nicht primär entwickelt wurde, um dessen optimale Funktionsfähigkeit zu garantieren, sondern hauptsächlich zur Schmerztherapie. Wer selbst einmal unter einer Arthrose des Hüftgelenkes litt, der weiss: Hüftschmerzen können so schrecklich werden, dass alles andere unwichtig wird. Da in frühen Jahren die Funktionsfähigkeit des Gelenkes reine Nebensache war, galt dies auch für Sehnen und Muskeln.
Man war dankbar, wenn die Schmerzen vorüber waren und man einige Schritte gehen konnte. An Sport oder schwere Arbeit hat früher niemand gedacht.
Heute ist die Situation völlig anders. Von einem guten künstlichen Hüftgelenk wird erwartet, dass man ALLES damit machen kann. Deshalb spielen Sehnen und Muskeln eine zentrale Rolle. Oder: Was nützt der schönste Ferrari ohne Motor? Dass heute auch mit einem künstlichen Gelenk Sport getrieben oder sogar die Eigernordwand bestiegen werden kann, zeigt der Film eines im OZM operierten Patienten: Johan (s. oben).
1998 habe ich gemeinsam mit Pierre Witschger das Projekt zur Entwicklung eines möglichst schonenden, d.h. eines minimal-invasiven Zugangs zur Hüfte erstmals formuliert. Wie immer bei einem solchen Projekt drängt sich in einem ersten Zeitpunkt das Studium der internationalen Literatur auf. Hierbei haben wir als Schweizer einen grossen Vorteil, können wir doch nicht nur englische Arbeiten lesen, sondern auch problemlos deutsche und französische. Dies war bei den Recherchen ein riesiger Vorteil, zeigte sich doch rasch, dass aus der neuen Literatur, welche auch auf dem Internet verfügbar ist, kaum wesentliche neue Ansätze gewonnen werden konnten. Wir mussten zurück in die originale Literatur, welche zum Teil aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts stammt und nicht in Englisch verfügbar war. So bestellten wir die Kopien der Originalartikel aus den grossen internationalen Bibliotheken.
Nach der Lektüre von mehreren hundert Artikeln hatten wir Erstaunliches gelernt: Die Standardzugänge, welche im deutschen und englischen Raum verwendet wurden, starteten alle an der Seite oder von Hinten zum Hüftgelenk.
Problematisch ist, dass bei den hinteren Zugängen immer der grosse Gesässmuskel (Glutaeus maximus) gespalten werden muss und überdies die Ablösung zumindest eines Teils der für die Feinsteuerung des Gelenkes wichtigen kleinen Drehmuskeln unumgänglich ist. Überdies bergen alle hinteren Zugänge ein erhöhtes Risiko der Gelenkluxation.
Die seitlichen Zugänge hingehen gehen immer durch die beckenstabilisierende Muskulatur (Abduktoren). Dadurch besteht das Risiko der Schädigung von Muskeln und Sehnen, wodurch ein mehr oder weniger ausgeprägtes Hinken zurückbleibt.
Konkret heisst dies, dass nach einem hinteren Zugang 20% der Kraft für die Aussenrotation verloren gehen, während nach einem seitlichen Zugang mehr als 80% der Patienten einen relevanten, oft schmerzhaften Kraftverlust der Abduktoren beklagen.
Interessant wurde es in der französischen Literatur, fanden sich doch dort vermehrt auch sog. anteriore, das heisst vordere Zugänge. Einen Teil der Problematik finden Sie in Abschnitt MicroHip Technik.